Warum wollte Thomas mit Lazarus sterben?(Johannes 11,14–16, Lutherbibel 2017)

Warum wollte Thomas mit Lazarus sterben?(Johannes 11,14–16, Lutherbibel 2017)

Lassen Sie uns den Abschnitt sorgfältig betrachten:

Johannes 11,14–16:

Da sagte ihnen Jesus offen heraus: Lazarus ist gestorben;
und ich bin froh um euretwillen, dass ich nicht dort gewesen bin,
damit ihr glaubt. Aber lasst uns zu ihm gehen.
Da sprach Thomas, der Zwilling genannt wird, zu den anderen Jüngern:
Lasst uns mit ihm gehen, damit wir mit ihm sterben.

Auf den ersten Blick scheint es, als wolle Thomas mit Lazarus sterben. Doch das ist ein Missverständnis des Textes.

Thomas meinte nicht, dass er mit Lazarus sterben wolle. Vielmehr drückte er seine Bereitschaft aus, mit Jesus zu gehen – selbst wenn das bedeutete, mit ihm in den Tod zu gehen.


Kontext und theologische Bedeutung

Um Thomas’ Aussage vollständig zu verstehen, betrachten wir den weiteren Zusammenhang in Johannes 11,5–16:

Jesus liebte Martha, Maria und Lazarus (Johannes 11,5) – das zeigt die tiefen persönlichen Beziehungen, die er pflegte. Als Lazarus schwer erkrankte, zögerte Jesus zwei Tage lang mit dem Aufbruch (Johannes 11,6). Dies hatte einen größeren göttlichen Zweck: Gottes Herrlichkeit sollte durch das Wunder der Auferweckung des Lazarus offenbar werden (Johannes 11,4).

Als Jesus ankündigt, wieder nach Judäa zu gehen (Johannes 11,7), äußern die Jünger Angst – denn dort hatten Juden ihn zuvor zu steinigen versucht (Johannes 11,8). Jesu Antwort über das Wandeln im Licht oder in der Dunkelheit (Johannes 11,9–10) ist reich an theologischer Tiefe: Er selbst ist das Licht der Welt (Johannes 8,12), und wer ihm nachfolgt, wird nicht straucheln.

Jesus spricht von Lazarus, als ob er „schlafe“ (Johannes 11,11–13) – ein Bild für den Tod. Damit zeigt er, dass der Tod nicht das Ende ist, und dass er Macht über den Tod hat – ein zentraler christologischer Punkt, der auf Jesu Worte hinweist:

Johannes 11,25:

Ich bin die Auferstehung und das Leben.
Wer an mich glaubt, der wird leben,
auch wenn er stirbt.

Als Jesus dann ganz offen sagt, dass Lazarus gestorben ist (Johannes 11,14), macht er deutlich, dass dies den Glauben der Jünger stärken soll (Johannes 11,15). Trotz der Gefahr besteht er darauf, nach Judäa zu gehen.


Thomas’ Reaktion und ihre Bedeutung

Thomas’ Bemerkung:

„Lasst uns mit ihm gehen, damit wir mit ihm sterben“
(Johannes 11,16)
spiegelt seine Treue und Bereitschaft wider, mit Jesus in die Gefahr zu gehen.

Theologisch gesehen zeigt diese Aussage mehrere bedeutende Punkte:

  • Glaube und Mut: Thomas zeigt eine Entschlossenheit, mit Jesus zu gehen, selbst in den Tod – ein Kennzeichen wahrer Jüngerschaft (Lukas 9,23). Dies weist auf die Bereitschaft zum Opfer hin, die Jesus später lehrt.
  • Missverständnis von Jesu Auftrag: Thomas – wie auch die anderen Jünger – verstand Jesu Sendung noch nicht vollständig. Er sah nur das Risiko des physischen Todes, nicht die kommende Herrlichkeit durch Jesu Tod und Auferstehung.
  • Vorausdeutung auf Jesu Passion: Thomas’ Worte spiegeln bereits den Weg wider, den die Jünger nach Jesu Verhaftung und Kreuzigung gehen werden (Johannes 13,36; Apostelgeschichte 7,54–60).

Eine Lektion in Abhängigkeit von Gottes Kraft

Thomas’ Bereitschaft steht im Kontrast zu Petrus’ späterem Versagen (Lukas 22,31–34) – ein Beispiel menschlicher Schwäche trotz guter Absichten. Das Neue Testament betont immer wieder: Unsere Kraft kommt nicht aus uns selbst, sondern aus Gottes Gnade:

2. Korinther 12,9–10:

Lass dir an meiner Gnade genügen;
denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.
… Wenn ich schwach bin,
so bin ich stark.

Dieser Abschnitt fordert Gläubige dazu heraus, in Demut zu leben und sich nicht auf sich selbst, sondern auf Gottes Stärke zu verlassen. Echter Glaube bedeutet, unsere Begrenztheit anzuerkennen und Gott zu vertrauen – besonders angesichts von Leid und Tod.

Sei gesegnet!


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Über den Autor

Rehema Jonathan editor

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