Warum lässt dieser junge Mann das Leinentuch zurück und flieht nackt davon?

Warum lässt dieser junge Mann das Leinentuch zurück und flieht nackt davon?


Frage:
„Warum lässt dieser junge Mann das Leinentuch zurück und flieht nackt davon?“
Markus 14,51–52 (Lutherbibel 2017)

Antwort:

Zunächst der Text:

Markus 14,50–52 (Lutherbibel 2017):
„Da verließen ihn alle und flohen. Ein junger Mann aber folgte ihm, bekleidet nur mit einem Leinengewand. Als man ihn ergriff, entging er ihnen, ließ das Gewand zurück und floh nackt davon.“

Diese Szene erscheint nur im Markus-Evangelium, und der junge Mann bleibt anonym. Manche Kirchenväter und Exegeten vermuten, es könnte sich um Johannes Markus handeln — den Verfasser — der sich selbst diskret erwähnt. Doch wichtiger als seine Identität ist, warum Markus diese Episode erzählt und welche geistlichen Tiefen sie aufzeigt.


1. Das Leinengewand (gr. sindōn)

Das Wort sindōn steht für einen hochwertigen, feinen Leinenschleier oder –überwurf, der im Alten Testament oft mit Reinheit, Heiligkeit und priesterlicher Kleidung assoziiert wird. Dieses Material war allein für levitische Priester erlaubt (vgl. 2. Mose 28,42; Hesekiel 44,17–18). In der Offenbarung steht feines Leinen für die gerechten Taten der Heiligen (Offb. 19,8) — ein Symbol für geistliche Reinheit und Erlösung (bethanybible.org, Biblical Hermeneutics Stack Exchange).


2. Warum flieht er nackt?

Das hektische Entkommen, bei dem das Gewand zurückbleibt, weist auf Extreme der Angst und Verletzlichkeit hin. In Griechenland war es eine häufige literarische Bildsprache: Beim schnellen Fortlauf kann ein einziges, locker sitzendes Gewand leicht abrutschen — der nackte Fliehende steht für schamvolles Aufgeben von Schutz und Würde (Wikipedia, Reddit).


3. Symbolische Deutung & literarische Rahmung

Viele Exegeten verbinden diese Episode mit der späteren Erwähnung eines „jungen Mannes“ im leeren Grab (Markus 16,5), der jetzt in einem weißen Gewand erscheint: Ein Wechsel von Scham (Nacktheit) zur Wiederherstellung (weiße Kleidung) – eine Transformation durch Passion und Auferstehung (HTS Teologiese Studies, Biblical Hermeneutics Stack Exchange, stephenblogs).

Ein Reddit‑Kommentar bringt es so auf den Punkt:

„…das Gewand ist eine Art Begräbnisgewand. Der Mann trug buchstäblich den Tod. […] Indem er ihm folgte, entflieht man dem Tod und wird wie von neuem unschuldig.“ (Reddit)

Das unterstützt die Idee, dass Markus bewusst symbolische Kleidung einsetzt, um theologische Spannung und Hoffnung auszudrücken.


4. Praktische und spirituelle Impulse

Diese Episode zeigt:

  • Wie leicht äußere Frömmigkeit — „nur ein Leinengwand“ — in Angst zusammenbrechen kann.
  • Dass wahre Nachfolge nicht nur äußerliches Mitlaufen ist, sondern geistliche Tiefe und Standhaftigkeit erfordert.
  • Dass die Geschichte eine Einladung ist: vom flüchtigen Jüngling (Scham) zur beständigen Zeugniskraft (Weiße Kleidung, Auferstehung).

Zusammenfassung:

  • Das Leinengewand symbolisiert prima facie Reinheit, aber auch Vergänglichkeit.
  • Die Nacktheit steht für Verlust – geistlich wie menschlich – unter Drohung.
  • Die narrative Rahmung spiegelt Scham versus Erlösung als zentrales Thema des Markus-Evangeliums.
  • Die geistliche Mahnung lautet: Halte fest an deinem inneren Zeugnis – selbst in der Angst.

Wenn du möchtest, kann ich diese Erklärung auch kürzer gestalten oder in ein anderes Format übertragen.

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Über den Autor

Magdalena Kessy editor

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