Hoheslied 5,2‑6 (Lutherbibel 2017) „Ich schlief, mein Herz aber war wach. Wenn ich hörte: Mein Geliebter klopft: ›Öffne mir, meine Schwester, meine Freundin, meine Taube, meine Vollkommene!‹ Denn mein Haupt ist feucht vor Tau, meine Locken vom Tropfen der Nacht. Ich hatte mein Gewand ausgezogen, soll ich es denn wieder anziehen? Ich hatte meine Füße gewaschen, soll ich sie denn wieder beflecken? Mein Geliebter streckte die Hand durchs Riegelloch, und mein Herz erbebte mir. Ich stand auf, um meinem Geliebten zu öffnen; meine Hände triefen nach Myrrhe, meine Finger flossen vor Myrrhe über den Riegel. Ich öffnete meinem Geliebten, doch mein Geliebter war entflohen und fortgegangen. Mein Herz versank, als er sprach; ich suchte ihn, aber fand ihn nicht; ich rief, aber er antwortete mir nicht.“
Theologische Betrachtung: Dieser Abschnitt aus dem Hohenlied dient als starke Allegorie für Christi Suche nach dem Herzen des Gläubigen. Die Braut steht für die Seele, die sich nach Gemeinschaft mit Christus, dem Geliebten, sehnt. Ihr Schlaf symbolisiert geistlichen Schlummer oder das Zögern, auf seinen Ruf zu antworten, während das Herz, das wach bleibt, Sehnsucht oder Sensibilität für seine Gegenwart ausdrückt.
Das Klopfen des Geliebten veranschaulicht Christi geduldige und beharrliche Einladung zur Gemeinschaft (vgl. Offenbarung 3,20), und zeigt Gottes Gnade und Barmherzigkeit, der trotz menschlicher Zögern eine Beziehung will.
Das Zögern der Braut, die sich fragt, ob sie ihr Gewand wieder anziehen oder ihre Füße erneut beflecken soll, steht für den inneren Konflikt: in einem Zustand der Trennung oder Sünde verharren oder bereit sein, Gottes Ruf zu folgen (vgl. Jesaja 1,18; Psalm 51,7).
Wenn sie endlich aufsteht, ihre Hände tropfen Myrrhe (ein wohlriechendes Harz, verwendet in Anbetung und Salbung), symbolisiert das Vorbereitung, Hingabe und die kostspielige Anstrengung wahrer Umkehr und Offenheit vor Gott.
Doch der Rückzug des Geliebten, bevor sie öffnet, ist eine ernüchternde Erinnerung daran: Verzögerungen, auf Gottes Ruf zu reagieren, können dazu führen, dass man intime Gemeinschaft mit Christus verpasst (vgl. Lukas 13,24 „Ringet danach, durch die enge Tür einzugehen“).
Was lehrt Christus seine Kirche?
Offenbarung 3,20 (Lutherbibel 2017) „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe. Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür auftut, zu dem werde ich hineingehen und Mahl mit ihm halten und er mit mir.“
Dieser Vers betont, dass Christus die Initiative in der Erlösung ergreift. Er klopft geduldig — doch es bedarf unserer freien Antwort, damit er Einlass in unser Herz findet.
Viele zögern, abgelenkt durch weltliche Sorgen oder falsche Sicherheit, und warten auf den „richtigen Zeitpunkt“, sich hinzugeben. Das ist gefährlich, denn die Schrift warnt, dass der Moment der Rettung dringend und unvorhersehbar sein kann.
Lukas 12,36‑40 (Lutherbibel 2017) fordert Gläubige auf, geistlich wachsam und jederzeit bereit zu sein, denn Christus’ Wiederkunft könnte unerwartet kommen.
Die Dringlichkeit des Jetzt
Die Einladung ist klar: Öffne dein Herz für Christus jetzt. Zögere nicht. Erlösung ist gegenwärtige Realität, aber Gnade ist nicht garantiert für immer (vgl. Hebräer 3,7‑8).
Wer wartet, riskiert, die intime Gemeinschaft zu verlieren, die Christus ersehnt. Der Schmerz darüber zeigt sich in der Braut im Hohenlied — der Verlorenheit, wenn der Geliebte wegging, bevor sie öffnete.
Praktische Anwendung
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